Kleckerburg (Carbourg)
Zwei Schwarz-Weiß-Fotografien, die etwa die Größe 1 x 1,5 Meter haben, zeigen eine sogenannte Kleckerburg am Strand. Die Fotografien sind aus augedruckten Din A4 Blättern zusammencollagiert, das heißt, die große Fläche des Bildes entsteht durch das Aneinanderfügen von vielen einzelnen Seiten. Kleckerburgen sind Sandburgen, die gebaut werden, indem man ein Gemisch aus Wasser und Sand durch die fast zur Faust geschlossene Hand rinnen lässt wie durch eine Sanduhr. Dadurch entstehen Tropfformationen, die wie kleine Haufen oder Türmchen aussehen. Auf dieses Weise immer wieder aufeinander gekleckert, lassen sich kegelförmige Burgen bauen, die die Größe eines Kindes haben. Die eine Fotografie zeigt eine Kleckerburg mit zwei spitzen Kleckertürmen am Strand. Die zweite Fotografie zeigt dieselbe Burg, aber bei Flut. Das Meer umspült schon die gesamte Burg und Betrachter*innen können vor dem inneren Auge förmlich sehen, wie die Kleckerburg fortgespült wird. Das Material Sand birgt in Anna Gohmerts Arbeit „Das ist (ja) voll mein Ding“ eine zeitliche Komponente. Die Fotografien hingen zum Beispiel im Hintergrund, als die Objekte, die von Nachbar*innen gespendet worden waren, versteigert wurden. Die Dauer eines Versteigerungszeitraumes wurde durch zwei große Sanduhren bestimmt. Das Rieseln des Sandes markiert eine Zeit, aber gleichzeitig lässt sich an der mikroskopischen Aufnahme eines Sandkorns auch sein eigenes Alter ablesen. Die Lebensdauer einer Sandburg hängt vom Wind ab und davon, wie nahe die Burg an den Wasserspiegel bei Flut gebaut wurde. Diese zeitlichen Fragen lassen sich auch auf die Beziehungen von Menschen und Dingen übertragen: Wie lange begleitet uns ein Ding, wie lange begleiten wir ein Ding, woran misst sich die Zeitspanne unserer Verbindung, was ist die Lebensdauer eines Dings, was ist die Lebensdauer der Menschen, die dieses Ding besaßen?
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
https://annagohmert.de/das-ist-ja-voll-mein-ding-ouicest-vraiment-mon-truc/
Two black and white photographs, each measuring approximately 1 x 1.5 metres, show a so-called “Kleckerburg” (drip castle) on the beach. The photographs are collages of printed A4 sheets, meaning that the large surface of the image is created by joining together many individual sheets. Drip castles are made by running a mixture of water and sand through a closed fist, like an hourglass. This creates drip formations that look like small mounds or towers. By repeatedly dripping sand on top of itself, it is possible to build conical castles as tall as a child. One photograph shows a drip castle with two pointed drip towers on the beach. The second photograph shows the same castle, but at high tide. The sea is already engulfing the castle and viewers can literally visualise it being washed away. The material of sand has a temporal component in Anna Gohmert’s work Das ist (ja) voll mein Ding ((Yes) That’s Totally My Thing). For example, these photographs were hanging in the background when the objects donated by neighbours were auctioned off. The duration of each auction was determined by two large hourglasses. The trickling of the sand marks a period of time, but at the same time the microscopic image of a grain of sand reveals its own age. The lifespan of a sandcastle depends on the wind and on how close the castle was built to the water level at high tide. These temporal questions can also be applied to the relationships between people and things: How long does a thing accompany us? How long do we accompany a thing? How do we measure the duration of our connection? What is the lifespan of a thing, and what is the lifespan of the people who owned this thing?
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
https://annagohmert.de/das-ist-ja-voll-mein-ding-ouicest-vraiment-mon-truc/
Dieses Glossar soll einen Einblick in einige von Anna Gohmerts Werkomplexe geben, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Anna Gohmerts Arbeitsweise zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich unter dem Titel eines Werkkomplexes oft mehrere Arbeiten verbergen, die im Dialog miteinander stehen. Das Glossar versammelt Schlagworte zu einzelnen Aspekten oder einzelnen Arbeiten der Werkkomplexe, anhand derer sich Leser*innen einen fragmentarischen Eindruck verschaffen können. Das Glossar hat nicht das Ziel, die Arbeiten detailliert zu beschreiben, sondern setzt vor allem darauf, die Materialität des Unsichtbaren in Anna Gohmerts Arbeit herauszuarbeiten. Entlang des Glossars unternehmen Leser*innen assoziativ einen sinnlichen Trip durch einzelne erfahrbare Aspekte (haptische, auditive, visuelle) der Arbeiten. Der zentrale Gedanke des Glossars ist, dass Leser*innen über unterschiedliche Material-Metaphern einen Eindruck und Überblick über unterschiedliche Arbeiten gewinnen, die sich über einen Aspekt ihrer Materialität textlich auffalten und so von einem Detail der Arbeit zur gesamten Arbeit gehen.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
This glossary is intended to provide an insight into some of Anna Gohmert’s bodies of work without claiming to be complete. One characteristic of her practice is that the title of a body of work often encompasses several projects that engage in dialogue with each other.
The glossary brings together keywords on individual aspects or individual pieces from the bodies of work, allowing readers to gain a fragmentary impression. It does not aim to describe the works in detail, but rather to highlight the materiality of the invisible in Gohmert’s practice.
The glossary takes readers on an associative sensory journey through individual experiential aspects of the works (haptic, auditory, visual).
The central idea of the glossary is that readers can gain an impression and overview of different works through various material metaphors that unfold textually through an aspect of their materiality, thus moving from a detail of the work to the work as a whole
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
Kleckerburg (Carbourg)
Zwei Schwarz-Weiß-Fotografien, die etwa die Größe 1 x 1,5 Meter haben, zeigen eine sogenannte Kleckerburg am Strand. Die Fotografien sind aus augedruckten Din A4 Blättern zusammencollagiert, das heißt, die große Fläche des Bildes entsteht durch das Aneinanderfügen von vielen einzelnen Seiten. Kleckerburgen sind Sandburgen, die gebaut werden, indem man ein Gemisch aus Wasser und Sand durch die fast zur Faust geschlossene Hand rinnen lässt wie durch eine Sanduhr. Dadurch entstehen Tropfformationen, die wie kleine Haufen oder Türmchen aussehen. Auf dieses Weise immer wieder aufeinander gekleckert, lassen sich kegelförmige Burgen bauen, die die Größe eines Kindes haben. Die eine Fotografie zeigt eine Kleckerburg mit zwei spitzen Kleckertürmen am Strand. Die zweite Fotografie zeigt dieselbe Burg, aber bei Flut. Das Meer umspült schon die gesamte Burg und Betrachter*innen können vor dem inneren Auge förmlich sehen, wie die Kleckerburg fortgespült wird. Das Material Sand birgt in Anna Gohmerts Arbeit „Das ist (ja) voll mein Ding“ eine zeitliche Komponente. Die Fotografien hingen zum Beispiel im Hintergrund, als die Objekte, die von Nachbar*innen gespendet worden waren, versteigert wurden. Die Dauer eines Versteigerungszeitraumes wurde durch zwei große Sanduhren bestimmt. Das Rieseln des Sandes markiert eine Zeit, aber gleichzeitig lässt sich an der mikroskopischen Aufnahme eines Sandkorns auch sein eigenes Alter ablesen. Die Lebensdauer einer Sandburg hängt vom Wind ab und davon, wie nahe die Burg an den Wasserspiegel bei Flut gebaut wurde. Diese zeitlichen Fragen lassen sich auch auf die Beziehungen von Menschen und Dingen übertragen: Wie lange begleitet uns ein Ding, wie lange begleiten wir ein Ding, woran misst sich die Zeitspanne unserer Verbindung, was ist die Lebensdauer eines Dings, was ist die Lebensdauer der Menschen, die dieses Ding besaßen?
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
https://annagohmert.de/das-ist-ja-voll-mein-ding-ouicest-vraiment-mon-truc/
Two black and white photographs, each measuring approximately 1 x 1.5 metres, show a so-called “Kleckerburg” (drip castle) on the beach. The photographs are collages of printed A4 sheets, meaning that the large surface of the image is created by joining together many individual sheets. Drip castles are made by running a mixture of water and sand through a closed fist, like an hourglass. This creates drip formations that look like small mounds or towers. By repeatedly dripping sand on top of itself, it is possible to build conical castles as tall as a child. One photograph shows a drip castle with two pointed drip towers on the beach. The second photograph shows the same castle, but at high tide. The sea is already engulfing the castle and viewers can literally visualise it being washed away. The material of sand has a temporal component in Anna Gohmert’s work Das ist (ja) voll mein Ding ((Yes) That’s Totally My Thing). For example, these photographs were hanging in the background when the objects donated by neighbours were auctioned off. The duration of each auction was determined by two large hourglasses. The trickling of the sand marks a period of time, but at the same time the microscopic image of a grain of sand reveals its own age. The lifespan of a sandcastle depends on the wind and on how close the castle was built to the water level at high tide. These temporal questions can also be applied to the relationships between people and things: How long does a thing accompany us? How long do we accompany a thing? How do we measure the duration of our connection? What is the lifespan of a thing, and what is the lifespan of the people who owned this thing?
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
https://annagohmert.de/das-ist-ja-voll-mein-ding-ouicest-vraiment-mon-truc/
Dieses Glossar soll einen Einblick in einige von Anna Gohmerts Werkomplexe geben, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Anna Gohmerts Arbeitsweise zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich unter dem Titel eines Werkkomplexes oft mehrere Arbeiten verbergen, die im Dialog miteinander stehen. Das Glossar versammelt Schlagworte zu einzelnen Aspekten oder einzelnen Arbeiten der Werkkomplexe, anhand derer sich Leser*innen einen fragmentarischen Eindruck verschaffen können. Das Glossar hat nicht das Ziel, die Arbeiten detailliert zu beschreiben, sondern setzt vor allem darauf, die Materialität des Unsichtbaren in Anna Gohmerts Arbeit herauszuarbeiten. Entlang des Glossars unternehmen Leser*innen assoziativ einen sinnlichen Trip durch einzelne erfahrbare Aspekte (haptische, auditive, visuelle) der Arbeiten. Der zentrale Gedanke des Glossars ist, dass Leser*innen über unterschiedliche Material-Metaphern einen Eindruck und Überblick über unterschiedliche Arbeiten gewinnen, die sich über einen Aspekt ihrer Materialität textlich auffalten und so von einem Detail der Arbeit zur gesamten Arbeit gehen.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
This glossary is intended to provide an insight into some of Anna Gohmert’s bodies of work without claiming to be complete. One characteristic of her practice is that the title of a body of work often encompasses several projects that engage in dialogue with each other.
The glossary brings together keywords on individual aspects or individual pieces from the bodies of work, allowing readers to gain a fragmentary impression. It does not aim to describe the works in detail, but rather to highlight the materiality of the invisible in Gohmert’s practice.
The glossary takes readers on an associative sensory journey through individual experiential aspects of the works (haptic, auditory, visual).
The central idea of the glossary is that readers can gain an impression and overview of different works through various material metaphors that unfold textually through an aspect of their materiality, thus moving from a detail of the work to the work as a whole
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch