Vorhang mit Alaunkristallen bewachsen/ „Kristallisation“
Drei breite dunkelgraue Vorhänge hängen hintereinander frei im Raum. Sie scheinen fleckig und als hätten sie lange zerknittert gelegen. Bei näherem Hinsehen bemerkt man, dass es sich bei den helleren Strukturen, die zuerst wie Knitterfalten wirkten, um einen Kristallbewuchs handelt. Weiße, mikroskopisch kleine Kristalle bilden auf dem dunklen Textil Strukturen, die der Luftaufnahme von Gebirgskämmen gleicht. Würde man den Stoff betasten, könnte man die Kristallstrukturen als rauhen Belag auf dem Stoff spüren. Hier haben sich organische Strukturen fortgepflanzt ohne das Nachdenken über Familienmodelle. Kristalle wuchsen einfach so. Obwohl das nicht ganz stimmt: Sie wuchsen nicht einfach so, sondern Anna Gohmert musste die Umgebung der Kristalle pflegen, damit die richtigen Bedingungen für ihr Wachstum herrschten. Selbst diese Reproduktion durch Kristallisation bedarf Care-Arbeit.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
Three wide, dark grey curtains hang freely in a row in the room. They look stained and as if they have been crumpled for a long time. On closer inspection, the viewer realises that the pale structures that initially looked like creases are actually crystal growth. White, microscopic crystals form structures on the dark fabric that resemble aerial views of mountain ridges. If you were to touch the fabric, you would feel the crystal structures as a rough coating. Here, organic structures have reproduced without regard to family models. The crystals just grew. Although that’s not entirely true: they didn’t just grow; instead, Anna Gohmert had to cultivate their environment to create the right conditions for their growth. Even this reproduction by crystallisation requires care work.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
Dieses Glossar soll einen Einblick in einige von Anna Gohmerts Werkomplexe geben, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Anna Gohmerts Arbeitsweise zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich unter dem Titel eines Werkkomplexes oft mehrere Arbeiten verbergen, die im Dialog miteinander stehen. Das Glossar versammelt Schlagworte zu einzelnen Aspekten oder einzelnen Arbeiten der Werkkomplexe, anhand derer sich Leser*innen einen fragmentarischen Eindruck verschaffen können. Das Glossar hat nicht das Ziel, die Arbeiten detailliert zu beschreiben, sondern setzt vor allem darauf, die Materialität des Unsichtbaren in Anna Gohmerts Arbeit herauszuarbeiten. Entlang des Glossars unternehmen Leser*innen assoziativ einen sinnlichen Trip durch einzelne erfahrbare Aspekte (haptische, auditive, visuelle) der Arbeiten. Der zentrale Gedanke des Glossars ist, dass Leser*innen über unterschiedliche Material-Metaphern einen Eindruck und Überblick über unterschiedliche Arbeiten gewinnen, die sich über einen Aspekt ihrer Materialität textlich auffalten und so von einem Detail der Arbeit zur gesamten Arbeit gehen.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
This glossary is intended to provide an insight into some of Anna Gohmert’s bodies of work without claiming to be complete. One characteristic of her practice is that the title of a body of work often encompasses several projects that engage in dialogue with each other.
The glossary brings together keywords on individual aspects or individual pieces from the bodies of work, allowing readers to gain a fragmentary impression. It does not aim to describe the works in detail, but rather to highlight the materiality of the invisible in Gohmert’s practice.
The glossary takes readers on an associative sensory journey through individual experiential aspects of the works (haptic, auditory, visual).
The central idea of the glossary is that readers can gain an impression and overview of different works through various material metaphors that unfold textually through an aspect of their materiality, thus moving from a detail of the work to the work as a whole
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
Vorhang mit Alaunkristallen bewachsen/ „Kristallisation“
Drei breite dunkelgraue Vorhänge hängen hintereinander frei im Raum. Sie scheinen fleckig und als hätten sie lange zerknittert gelegen. Bei näherem Hinsehen bemerkt man, dass es sich bei den helleren Strukturen, die zuerst wie Knitterfalten wirkten, um einen Kristallbewuchs handelt. Weiße, mikroskopisch kleine Kristalle bilden auf dem dunklen Textil Strukturen, die der Luftaufnahme von Gebirgskämmen gleicht. Würde man den Stoff betasten, könnte man die Kristallstrukturen als rauhen Belag auf dem Stoff spüren. Hier haben sich organische Strukturen fortgepflanzt ohne das Nachdenken über Familienmodelle. Kristalle wuchsen einfach so. Obwohl das nicht ganz stimmt: Sie wuchsen nicht einfach so, sondern Anna Gohmert musste die Umgebung der Kristalle pflegen, damit die richtigen Bedingungen für ihr Wachstum herrschten. Selbst diese Reproduktion durch Kristallisation bedarf Care-Arbeit.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
Three wide, dark grey curtains hang freely in a row in the room. They look stained and as if they have been crumpled for a long time. On closer inspection, the viewer realises that the pale structures that initially looked like creases are actually crystal growth. White, microscopic crystals form structures on the dark fabric that resemble aerial views of mountain ridges. If you were to touch the fabric, you would feel the crystal structures as a rough coating. Here, organic structures have reproduced without regard to family models. The crystals just grew. Although that’s not entirely true: they didn’t just grow; instead, Anna Gohmert had to cultivate their environment to create the right conditions for their growth. Even this reproduction by crystallisation requires care work.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
Dieses Glossar soll einen Einblick in einige von Anna Gohmerts Werkomplexe geben, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Anna Gohmerts Arbeitsweise zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich unter dem Titel eines Werkkomplexes oft mehrere Arbeiten verbergen, die im Dialog miteinander stehen. Das Glossar versammelt Schlagworte zu einzelnen Aspekten oder einzelnen Arbeiten der Werkkomplexe, anhand derer sich Leser*innen einen fragmentarischen Eindruck verschaffen können. Das Glossar hat nicht das Ziel, die Arbeiten detailliert zu beschreiben, sondern setzt vor allem darauf, die Materialität des Unsichtbaren in Anna Gohmerts Arbeit herauszuarbeiten. Entlang des Glossars unternehmen Leser*innen assoziativ einen sinnlichen Trip durch einzelne erfahrbare Aspekte (haptische, auditive, visuelle) der Arbeiten. Der zentrale Gedanke des Glossars ist, dass Leser*innen über unterschiedliche Material-Metaphern einen Eindruck und Überblick über unterschiedliche Arbeiten gewinnen, die sich über einen Aspekt ihrer Materialität textlich auffalten und so von einem Detail der Arbeit zur gesamten Arbeit gehen.
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch
This glossary is intended to provide an insight into some of Anna Gohmert’s bodies of work without claiming to be complete. One characteristic of her practice is that the title of a body of work often encompasses several projects that engage in dialogue with each other.
The glossary brings together keywords on individual aspects or individual pieces from the bodies of work, allowing readers to gain a fragmentary impression. It does not aim to describe the works in detail, but rather to highlight the materiality of the invisible in Gohmert’s practice.
The glossary takes readers on an associative sensory journey through individual experiential aspects of the works (haptic, auditory, visual).
The central idea of the glossary is that readers can gain an impression and overview of different works through various material metaphors that unfold textually through an aspect of their materiality, thus moving from a detail of the work to the work as a whole
Text: Judith Engel
Translation: Bonnie Begusch